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Willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts, in der wir uns heute einem stillen, aber sehr bedeutsamen Tag widmen – dem Totensonntag. Ein Tag, der am Ende des Kirchenjahres steht, bevor mit dem ersten Advent das neue beginnt. Ein Tag der Erinnerung, der Besinnung, und des Nachdenkens über das, was war, was ist und was bleibt. Der Totensonntag ist ein Moment – bevor der Trubel der Adventszeit beginnt, bevor Lichter, Glanz und Vorfreude unsere Gedanken füllen. Heute soll es um diesen besonderen Tag gehen, seine Geschichte, seine Bedeutung, seine Rituale und darum, was er uns heute – in einer oft so schnellen und lauten Welt – noch sagen kann.
Der Totensonntag, manchmal auch Ewigkeitssonntag genannt, wird immer am letzten Sonntag vor dem ersten Advent gefeiert. Das bedeutet, er fällt in der Regel auf ein Datum zwischen dem 20. und 26. November. In der evangelischen Kirche ist er der offizielle Gedenktag für die Verstorbenen. Ein Tag, an dem viele Menschen die Gräber ihrer Angehörigen besuchen, Kerzen anzünden, Blumen niederlegen oder einfach still verweilen. In katholisch geprägten Regionen erfüllt diese Rolle eher der Allerseelentag, der am 2. November gefeiert wird. Doch in vielen Familien, gerade dort, wo Konfessionen sich mischen oder wo Tradition stärker ist als Zugehörigkeit, werden beide Tage zum Anlass genommen, um der Verstorbenen zu gedenken.
Seinen Ursprung hat der Totensonntag im Jahr 1816. Damals ordnete der preußische König Friedrich Wilhelm III. an, dass in allen evangelischen Kirchen seines Königreichs am letzten Sonntag des Kirchenjahres der Verstorbenen gedacht werden solle. Der Anlass war persönlich und politisch zugleich. Der König hatte in den napoleonischen Kriegen viele Menschen verloren, auch seine eigene Frau, Königin Luise, war früh verstorben. Er wollte einen festen Tag schaffen, an dem das Gedenken an die Toten gemeinschaftlich und feierlich begangen werden konnte – unabhängig davon, wann jemand gestorben war. Es sollte ein Tag sein, an dem das Erinnern, das Trauern und das Hoffen in den Mittelpunkt rücken. So wurde der Totensonntag in den evangelischen Kalender aufgenommen und verbreitete sich rasch über die Grenzen Preußens hinaus.
Der zweite Name dieses Tages, „Ewigkeitssonntag“, führt uns schon ein Stück weiter in seine tiefere Bedeutung. Denn es geht nicht nur um Trauer und Verlust, sondern auch um die Frage nach der Ewigkeit, nach dem, was nach dem Tod kommt. In den Gottesdiensten, werden die Namen der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres vorgelesen. Eine Glocke erklingt für jeden einzelnen Namen. Es ist ein Moment der Sammlung, des gemeinsamen Erinnerns, aber auch der Hoffnung – dass der Tod nicht das letzte Wort hat. In vielen Gemeinden wird der Altar mit weißen Tüchern geschmückt, und Kerzen brennen für die Verstorbenen. Diese Lichter sind Symbole der Hoffnung, Zeichen dafür, dass das Leben weitergeht – wenn auch auf eine andere Weise.
Der Totensonntag ist also mehr als nur ein „Tag der Toten“. Er ist ein Tag, an dem wir uns unserer eigenen Endlichkeit bewusst werden. Ein Tag, der uns daran erinnert, dass alles im Leben vergänglich ist – und dass gerade darin auch eine besondere Schönheit liegt. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum viele Menschen diesen Tag als besonders wohltuend empfinden. Es ist ein Tag ohne Kommerz, ohne Ablenkung, ohne Musik aus Lautsprechern. In Deutschland gilt für diesen Tag sogar das Tanzverbot – ein sogenannter „stiller Feiertag“. Das bedeutet, dass öffentliche Tanzveranstaltungen, laute Feiern oder Konzerte an diesem Tag nicht stattfinden dürfen. Das mag manchen altmodisch erscheinen, aber es ist Ausdruck von Respekt. Respekt vor den Toten – und Respekt vor den Lebenden, die trauern.
Gerade in unserer modernen Zeit, in der das Thema Tod oft verdrängt wird, hat der Totensonntag eine besondere Funktion. Er bietet Raum für das, was im Alltag keinen Platz findet: Abschied, Trauer, Erinnerung. Viele Menschen gehen an diesem Tag auf den Friedhof. Sie reinigen die Gräber, zünden Kerzen an, sprechen ein stilles Gebet oder bleiben einfach einen Moment stehen. Andere wiederum nutzen den Tag, um alte Fotoalben herauszuholen, Erinnerungen zu teilen, Geschichten zu erzählen. Vielleicht wird über die Oma gesprochen, die so wunderbar Apfelkuchen backen konnte, oder über den Vater, der immer dieselbe Witze erzählt hat. In diesen Momenten wird spürbar, dass die Toten weiterleben – in uns, in unseren Erinnerungen, in dem, was wir aus ihrem Leben mitgenommen haben.
Doch der Totensonntag ist nicht nur ein Tag für die Trauer. Er ist auch ein Tag der Hoffnung. In den Lesungen und Predigten dieses Sonntags geht es oft um die Zusage, dass es eine Zukunft gibt, die über den Tod hinausgeht. Dass das Leben, wie es die Bibel beschreibt, nicht endet, sondern sich verwandelt. Die Worte Jesu aus dem Johannesevangelium – „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ – werden häufig gelesen. Sie erinnern daran, dass das Ende nicht das Ende ist, sondern der Beginn von etwas Neuem, das wir noch nicht begreifen können.
Diese Verbindung von Trauer und Hoffnung, von Abschied und Neubeginn, macht den Totensonntag so besonders. Er steht an der Schwelle – zwischen dem Alten und dem Neuen, zwischen dem Ende des Kirchenjahres und dem Beginn der Adventszeit. Vielleicht ist genau das seine tiefere Botschaft: Dass aus dem Dunkel das Licht wächst, dass aus dem Schweigen neues Leben entsteht.
Wenn man durch die Friedhöfe geht, besonders an diesem Tag, liegt eine ganz eigene Atmosphäre in der Luft. Es ist still, aber nicht leer. Kerzen flackern in der Dämmerung, manche Menschen stehen still, andere sprechen leise. Der Geruch von kalter Erde mischt sich mit dem Duft von Tannenzweigen. Es ist, als würde die Zeit für einen Moment langsamer werden. Und vielleicht, nur vielleicht, hören wir in dieser Stille auch etwas von dem, was sonst verloren geht: die Stimme der Erinnerung, das leise Pochen der Vergänglichkeit – und die Ahnung davon, dass wir Teil von etwas Größerem sind.
In den letzten Jahren hat sich das Gedenken verändert. Viele Menschen finden neue Wege, mit Trauer umzugehen. Manche gestalten digitale Gedenkseiten, andere schreiben Briefe an ihre Verstorbenen, wieder andere pflanzen Bäume oder spenden im Namen derer, die sie verloren haben. Auch das sind Formen des Erinnerns – und sie zeigen, dass der Totensonntag lebendig bleibt, solange wir uns an seine Botschaft erinnern.
Vielleicht ist dieser Tag auch eine Einladung, das eigene Leben zu betrachten. Was bleibt von uns, wenn wir einmal gehen? Welche Spuren wollen wir hinterlassen? Der Totensonntag stellt uns diese Fragen und er erinnert uns daran, dass Leben und Tod keine Gegensätze sind, sondern Teile eines Ganzen.
Am Ende dieses stillen Sonntags, wenn die Kerzen niederbrennen und der Nebel über den Friedhöfen aufsteigt, bleibt oft ein Gefühl der Ruhe. Es ist, als ob der Totensonntag uns lehrt, dass Loslassen nicht Verlust bedeutet, sondern ein Teil des Lebens ist. Dass Erinnerung keine Last ist, sondern ein Geschenk. Und dass in jeder Dunkelheit ein Licht leuchtet – manchmal klein, aber beständig.
In diesem Sinne ist der Totensonntag kein trauriger Tag. Er ist ein Tag der Liebe. Eine stille, zärtliche Liebe, die über den Tod hinausreicht. Und vielleicht liegt gerade darin sein Trost – und seine Schönheit.
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